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Es sind nicht die altbekannten Bilder Irlands, die Andreas
Wellmann fotografiert: keine sanft gewellten Hügellandschaften, keine
Künstler, die keltischen Traditionen nacheifern, keine rothaarigen Menschen
in Pubs. Nur einmal Guinness, fässerweise gestapelt, aber das ist die Ausnahme.
Wellmann, Jahrgang 1963 und im Landkreis Offenbach zuhause, sucht sich andere Motive als jene,
die Ausländer für typisch irisch halten: ein Stück Strand, in das die Wellen
skurrile Muster geformt haben, einsam in einer Bucht dümpelnde Schiffe, abgewrackte Boote,
efeuumrankte Abteien, schroffe Felsen in der Brandung, fein gesponnene Netze, schiefe
Zäune - vierzig solcher "Irish Moments" in Schwarzweiß sind zur Zeit in der
"Galerie Fototreppe 42" in Hanau ausgestellt.
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Abseits der Touristenrouten macht sich Andreas Wellmann auf den Weg, um seine
"Bilder einer Insel" zu finden, den Rücken schwer bepackt mit
Fotoausrüstung und Stativ. Denn anders als die meisten Kollegen ist
er nicht mit der Kleinbild-, sondern einer Mittelformatkamera
unterwegs. Das Besondere an seiner Technik sind die
ungewöhnlich vielen Graustufen; bis zu zwanzig gelingen ihm mit
Hilfe eines speziellen "Zonensystems"
seiner Kamera. Ein Arbeiten, das nicht allein Können und Kreativität
verlangt, sondern auch viel Geduld: Bis zu einem
Tag benötigt Andreas Wellmann für ein Bild.
Eine Muße, die kaum jemand vor der Linse aufbringen dürfte - neben der künstlerischen
Ausrichtung des Fotografen vielleicht auch ein Grund, warum so gut
wie nie Menschen auf seinen Werken zu sehen sind. Bis
auf eine Ausnahme: Sie zeigt ein altes
Gebäude, vor dem ein Mann sitzt; er liest Zeitung.
Neben dem großen Panorama
wählt Andreas Wellmann auch gerne den besonderen
Ausschnitt, hebt Details in den Vordergrund. Auffällig ist
die außergewöhnliche Schärfe und Plastizität der Bilder: Jede
Faser der dicken Taue ist zu erkennen, die sich dem
Betrachter wulstig entgegenwölben, jedes Blättchen des Farns,
der den Blick in seine trichterförmige Tiefe zieht.
Dem idyllischen Bachlauf können die Augen bis weit in die Ferne
folgen, während im Vordergrund ein knorriger Baum um die
Aufmerksamkeit buhlt. Und sogar die feinsten Spinnweben im
Fenster vermag Andreas Wellmann mit
seiner Kamera einzufangen.
Möglicherweise wären solche
Motive auch anderswo zu entdecken als in Irland. Und
doch scheinen gerade diese Fotografien in ihrer Stille
und Kraft die Insel in ihrem Kern zu erfassen - und sind so
authentischer als jede Andenkenpostkarte.
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