Andreas Wellmann
"Irish Moments"

 

Jede Faser, jedes Blättchen

Andreas Wellmann zeigt in Hanau ein eher menschenleeres, gestochen scharfes Irland

Von Pamela Dörhöfer
Frankfurter Rundschau, 15.05.2003

 
Bild AW

Es sind nicht die altbekannten Bilder Irlands, die Andreas Wellmann fotografiert: keine sanft gewellten Hügellandschaften, keine Künstler, die keltischen Traditionen nacheifern, keine rothaarigen Menschen in Pubs. Nur einmal Guinness, fässerweise gestapelt, aber das ist die Ausnahme.

Wellmann, Jahrgang 1963 und im Landkreis Offenbach zuhause, sucht sich andere Motive als jene, die Ausländer für typisch irisch halten: ein Stück Strand, in das die Wellen skurrile Muster geformt haben, einsam in einer Bucht dümpelnde Schiffe, abgewrackte Boote, efeuumrankte Abteien, schroffe Felsen in der Brandung, fein gesponnene Netze, schiefe Zäune - vierzig solcher "Irish Moments" in Schwarzweiß sind zur Zeit in der "Galerie Fototreppe 42" in Hanau ausgestellt.

Abseits der Touristenrouten macht sich Andreas Wellmann auf den Weg, um seine "Bilder einer Insel" zu finden, den Rücken schwer bepackt mit Fotoausrüstung und Stativ. Denn anders als die meisten Kollegen ist er nicht mit der Kleinbild-, sondern einer Mittelformatkamera unterwegs. Das Besondere an seiner Technik sind die ungewöhnlich vielen Graustufen; bis zu zwanzig gelingen ihm mit Hilfe eines speziellen "Zonensystems" seiner Kamera. Ein Arbeiten, das nicht allein Können und Kreativität verlangt, sondern auch viel Geduld: Bis zu einem Tag benötigt Andreas Wellmann für ein Bild.

Eine Muße, die kaum jemand vor der Linse aufbringen dürfte - neben der künstlerischen Ausrichtung des Fotografen vielleicht auch ein Grund, warum so gut wie nie Menschen auf seinen Werken zu sehen sind. Bis auf eine Ausnahme: Sie zeigt ein altes Gebäude, vor dem ein Mann sitzt; er liest Zeitung.

Neben dem großen Panorama wählt Andreas Wellmann auch gerne den besonderen Ausschnitt, hebt Details in den Vordergrund. Auffällig ist die außergewöhnliche Schärfe und Plastizität der Bilder: Jede Faser der dicken Taue ist zu erkennen, die sich dem Betrachter wulstig entgegenwölben, jedes Blättchen des Farns, der den Blick in seine trichterförmige Tiefe zieht. Dem idyllischen Bachlauf können die Augen bis weit in die Ferne folgen, während im Vordergrund ein knorriger Baum um die Aufmerksamkeit buhlt. Und sogar die feinsten Spinnweben im Fenster vermag Andreas Wellmann mit seiner Kamera einzufangen.

Möglicherweise wären solche Motive auch anderswo zu entdecken als in Irland. Und doch scheinen gerade diese Fotografien in ihrer Stille und Kraft die Insel in ihrem Kern zu erfassen - und sind so authentischer als jede Andenkenpostkarte.

Hanau-Großauheim, Taunusstraße 56, bis 25. Mai. Öffnungszeiten samstags und sonntags von 15 bis 19 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung, Tel. 06181/572397.

zurück